Das Kamel – Wundertier der Wüste

Der Beiname Ata Allah, Geschenk Gottes, wird diesem Wunder der Natur auf der arabischen Halbinsel auch genannt. Optimal an die klimatischen Verhältnisse der Wüste angepasst sein, waren sie schon...

Der Beiname Ata Allah, Geschenk Gottes, wird diesem Wunder der Natur auf der arabischen Halbinsel auch genannt. Optimal an die klimatischen Verhältnisse der Wüste angepasst sein, waren sie schon früh der hauptsächliche, ausschlaggebende Zivilisationsfaktor der arabischen Wüstenregionen. Erst die Domestizierung des Kamels ermöglichte es den Menschen, in dieser lebensfeindlichen Umgebung zu überleben. Nur das „Wüstenschiffs“ erlaubte die Entstehung und Entwicklung der für die Gegend seit jeher typischen nomadischen Lebensform, welche auch jahrhundertelang die Lebensrealität der Qataris darstellte und auch heute noch einen großen Einfluss auf die Kultur ausübt. Als Reit- und Lastentier ermöglichte es Mobilität und die Durchführung langer Wanderungen, Handelskarawanen und Raubzüge.
Mit der Zähmung von Kamelen wurde auf der arabischen Halbinsel schon vor etwa 4000 Jahren begonnen.

Der Körper der Tiere ist rekordverdächtig sparsam in Hinblick auf den Wasserverbrauch. Das Märchen vom körpereigenen Wasserreservoir muss allerdings widerlegt werden – Kamele speichern Fett in ihren Höckern, allerdings keinen Tropfen Wasser.

Selbst bei extrem hohen Aussentemperaturen, wie sie der qatarische Hochsommer zu bieten hat, brauchen Kamele nur jeden 4. Tag Wasser – je nach körperlicher Anstrengung. Dazu kommt, dass Nahrung nur alle 2 Wochen gegeben werden muss und die Tiere im Notfall erstaunliche 25 Tage ohne jede Wasserzufuhr überlebensfähig bleiben. In Maßen vertragen sie sogar Brack- und Salzwasser.

Große Mengen Wasser bis zu 200 Liter können Kamele auf einmal trinken. Um Schwitzen zu verhindern, Wasser zu sparen und sich bestmöglich an die extremen äußeren Temperaturgegebenheiten anzupassen, ist es ihnen zudem möglich, ihre Körpertemperatur auf über 40 Grad ansteigen zu lassen.

Das überleben der Beduinen und ihr gesamter Lebensalltag war über viele Jahrhunderte an das Wohlbefinden der Kamele geknüpft. Ihre Tiere hatten bei den Beduinen somit stets Vorrang vor dem der Menschen. Bei der Ankunft an einem Brunnen nach einer Reise wurden zuerst die Lastkamele entladen und mit Wasser versorgt. Der Alltag der nomadisch lebenden Einwohnern Qatars, wie beispielsweise Karawanenführer und Viehhirten, war noch vor Jahrzehnten eng mit dem Kamel verknüpft. Ganz besonders interessant ist, dass sich die Dauer einer Reise in Kameltagen errechnete, Gewichtseinheiten lange Zeit in Kamellasten angegeben wurden sowie ein Tag in zwei Melkzeiten eingeteilt werden musste.

Rund um das Kamel bildeten sich die auch heute noch spezifischen kulturellen Charakteristika der qatarischen Wüstenkultur aus. Frisch gemolkene Kamelmilch stellte häufig die einzige und bedeutendste Nahrungsmittelgrundlage dar, der Dung fungierte als wertvolles Brennmaterial. Des weiteren wurde die Kamelwolle zu starken, strapazierfähigen Stoffen weiterverarbeitet. Zur Fleischversorgung hielten die Beduinen vor allem Ziegen. Das Kamel war den Nomaden der arabischen Halbinsel ein zu vielseitiger, bedeutender Begleiter, als das es dem Fleischverzehr wegen gehalten wurde.

Kamelfleisch wurde fast ausschließlich zu besonderen Anlässen serviert, wie z.B. zu Hochzeiten oder zur Ankunft eines Gastes. Meist wurden männliche Kamele geschlachtet, denn die weiblichen Tiere waren von größerem Nutzen. Sie lieferten wertvolle Milch und waren für die Zucht von hoher Bedeutung, da sie langfristig die Nachkommenschaft sicherten. Zum Verkauf standen die Tiere nur dann, wenn große Not herrschte oder wenn entsprechende Mengen Bargeld benötigt wurden.

Heute gibt es in Qatar keine wild lebenden Kamele mehr. Zwar scheinen die Tiere manchmal frei umherzustreifen, dennoch hat jedes von ihnen einen Besitzer. Sie sind meist mit einem Brandzeichen am Hals oder an der Flanke gekennzeichnet. Dennoch ist jeder Kamelbesitzer in der Lage, seine eigenen Tiere am Gesichtsausdruck, an den Zähnen wie auch am Körperbau zu identifizieren.

Der Besitz von einer möglichst hohen Zahl an Kamelen aus besonders edlen Abstammungslinien zog schon sehr früh für den Eigentümer der Tiere ein hohes Ansehen nach sich. Da Kamele die wirtschaftlich hochprofitablen Handelskarawanen erst möglich machten, brachte dies zudem ein einträgliches Geschäft ein.
Der heutige Stellenwert der Kamele in der qatarischen Kultur wird weiterhin deutlich, betrachtet man die Tatsache, dass sie schon immer nicht nur als reine Nutztiere oder Statussymbole, sondern vielmehr als Kamerad angesehen wurden. Viel Achtung und Zuneigung bringt man ihnen auch heute noch entgegen. Auch wenn Kamele heute kaum einen wirtschaftlichen Faktor darstellen, so haben sie für viele wohlhabende Qataris einen Liebhabermehrwert.

Die arabische Sprache kennt eine Vielzahl verschiedener Bezeichnungen für das Kamel. Die gebräuchlichste, „Al-Jamal“, wird auch als Begriff für „Schönheit“, „Anmut“ und „Bewunderung“ gebraucht. Die arabische Wurzel der Begriffe sprachliche Ursprung der Begriffe „Kamel“ und „Schönheit“ ist ein und dieselbe.

Obwohl Kamele in der modernen Zeit kaum noch von praktischer überlebensnotwendigkeit in unwirtlichen Wüstenregionen für Bewohner der arabischen Halbinsel bedeutsam sind, halten viele Qataris an der alten Tradition der Kamelrennen fest.

Im Kamelrennsport zeigt sich der allgegenwärtige qatarische Pragmatismus und die Fähigkeit, Althergebrachtes über die Zeit mitzutragen und den Anforderungen der Moderne entsprechend anzupassen. An dieser Stelle mischt sich qatarisch-arabische Tradition mit modernem lukrativen Business. Die Teilnahme an Rennen und in diesem Zusammenhang auch ganz besonders die Kamelzucht gelten als Zeichen qatarischer Identität. Die Rennen werden hauptsächlich vor dem Hintergrund der Erlangung von Ruhm und Ehre veranstaltet. Dennoch bringt den Kamelbesitzern und Trainern der Sport auch Reichtum.

Nennenswert hohe Geldpreise winken bei den großen Rennen der Region. Zu großen Rennveranstaltungen reisen auch Kamelbesitzer mit ihren Tieren eigens aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Oman nach Qatar.

Die heutige Zucht von Rennkamelen macht sich modernste wissenschaftliche Erkenntnisse zu Nutzen. Dennoch kommt es immer häufiger auch zu überzüchtungen, welche auf lange Sicht zu Verhaltensproblemen und erhöhter Krankheitsanfälligkeit führen.

Kinderjockeys bei Kamelrennen sind in Qatar bereits seit längerer Zeit nicht mehr zu sehen. Hier unterscheidet sich das kleine Wüstenemirat deutlich von einigen anderen Ländern der Region. In Qatar stehen auf den Einsatz von Kinderjockeys sowohl bei Rennveranstaltungen, allerdings auch beim Training oder bei der Pflege der Tiere saftige Geldstrafen. Im Kamelrennsport geht Qatar schon seit vier Jahren mit vorbildlichem Beispiel voran.

Categories
Kultur

RELATED BY

  • Vom Wüstensand zum Wolkenkratzer

    Wer heute als Reisender in Katars Hauptstadt Doha ankommt, vor dem erhebt sich eine der modernsten Skylines der Welt. Besucher flanieren auf der geschwungenen Strandpromenade Doha Corniche über sieben...
  • Qatar – Mekka der Vollblutaraberzucht

    Ein altes Sprichwort ist in der gesamten arabischen Welt überliefert, welches aus dem Mund des Propheten Mohammed stammen soll. Als Gott das Pferd erschuf, sprach er zum Südwind: „Ich...
  • Katars Vision 2030

    Im Rückblick wirkt der Zeitpunkt sehr symbolisch, zu dem Katar seine langfristige Strategie zum Erhalt des Wohlstands veröffentlichte. Auf dem Höhepunkt der globalen Wirtschaftskrise stellte das Emirat im Oktober...
  • Abenteuer Wüste

    Jedes Land bietet Freuden, die es seiner typischen Geographie verdankt. Was in den Alpen das Wandern und Skifahren, oder in norwegischen Fjorden das Fischen und Paddeln ist, ist in...
Translate »